Ein Kommen und Gehen: die Wanderungen
Ausser in Krisenjahren verzeichnete Thun immer Wanderungsgewinne. Den höchsten Zuwachs erhielt die Stadt in den Jahren 1960–1969 mit über 5000 Zuwandernden netto. Die Zu- und Abwanderung nach beziehungsweise aus Thun war lange Zeit eine schweizerische Binnenwanderung. Ausländer liessen sich nur selten in der Stadt nieder; 1910 zählte Thun 407 Ausländerinnen und Ausländer, 1950 waren es mit 490 nur wenige mehr. Seit der verstärkten Einwanderung ausländischer Arbeitskräfte ab den späten 1950er-Jahren bildeten die Italienerinnen und Italiener die grösste Gruppe. Ab 1993 stammten die meisten in Thun wohnhaften Ausländerinnen und Ausländer aus dem ehemaligen Jugoslawien, das sie als Kriegsflüchtlinge verlassen hatten. Im Vergleich mit anderen Schweizer Städten wies Thun stets einen der niedrigsten Ausländeranteile auf, was daran liegt, dass die eidgenössischen Betriebe nur Personen mit Schweizer Bürgerrecht anstellen.7
Rechtlich werden die Zuziehenden in Niedergelassene und Aufenthalter eingeteilt. Die Niedergelassenen im exemplarisch ausgewählten Jahr 1910 waren in Thun weit weniger zahlreich als die Aufenthalter. Die grosse Masse der mobilen Bevölkerung waren junge, ledige Bedienstete und Handwerker, die auf der Suche nach Arbeit in Gewerbe, Tourismus oder Privathaushalten nach Thun kamen und nach ein paar Monaten oder einem Jahr weiterreisten. Unter den kantonsfremden Aufenthaltern befanden sich mehr Männer, während unter den Zuziehenden aus dem Kanton Bern die Frauen in der Mehrzahl waren. Damit zeigt die Zuwanderung nach Thun ein auch aus anderen Städten bekanntes Bild. Anfang des 20. Jahrhunderts unterschied es sich kaum von jenem Mitte des 19. Jahrhunderts.8
Die Abwanderung der Thunerinnen und Thuner dürfte damals ebenfalls vor allem in andere Berner Gemeinden oder in Schweizer Kantone erfolgt sein. Natürlich zogen einige auch ins Ausland: Handwerksgesellen begaben sich auf Wanderschaft in die deutschen Länder, ledige Frauen fanden eine Stelle als Erzieherin in Frankreich. Und einige Thuner verliessen ihre Heimatstadt mit der Absicht, sich in Nordamerika oder Australien niederzulassen.9
