Die Unentgeltlichkeit der Lehrmittel
Noch 1872 mussten Eltern für ihre Kinder der Stadt Thun Schulgeld zahlen. Die revidierte Bundesverfassung von 1874 schrieb dann aber vor, dass der Primarschulunterricht nicht nur obligatorisch, sondern auch unentgeltlich sein müsse. Nachdem das Schulgeld abgeschafft worden war, schlug der Grütliverein dem Gemeinderat 1894 mit einer Initiative vor, auch die Lehrmittel, die bisher ebenfalls von den Eltern zu bezahlen waren, an allen Schulen gratis abzugeben. Thun sollte sich damit eingliedern in die Reihe der fortschrittlichen, schulfreundlichen Gemeinden. Die Schulkommissionen und das Lehrerkollegium unterstützten das Begehren. Mit der bisherigen Finanzierung hätten die Schülerinnen und Schüler ungleiche Bildungschancen. Während die Kinder reicher Eltern alle Lehrmittel erhielten, bekomme der Verdingbub oder das Arbeitermädchen kaum ein Heft oder einen Griffel. 1895 war das Anliegen verwirklicht.30
Am Progymnasium und an der Mädchensekundarschule hob die Stadt das Schulgeld erst per Beschluss vom Dezember 1911 auf; 1914 bewilligte sie die Gratisabgabe der Lehrmittel. Damit erleichterte sie den Zugang zu diesen Schulen für Kinder aus unteren sozialen Schichten. Familien aber, die zwar nicht in Thun wohnten, dort aber Steuern zahlten und damit das Recht hatten, ihre Kinder in die Stadt zur Schule zu schicken, mussten weiterhin ein Schulgeld zahlen. Die von 400 Männern, in der Mehrzahl Arbeiter, im Juni 1905 unterschriebene Petition zur Abschaffung dieser Gebühr scheiterte.31
