Von der «Eliteschule» zur koedukativen Oberstufe
Auf der Sekundarstufe waren Knaben und Mädchen bis 1980 nicht nur in einzelnen Fächern getrennt, sondern besuchten je eigene Schulen: die Knaben das Progymnasium, die Mädchen die Mädchensekundarschule. Beide Schulen hatten eine lange Tradition. Das Progymnasium war aus der alten, 1266 erstmals erwähnten Lateinschule hervorgegangen. Diese wandelte man in Thun in ein Progymnasium um, nachdem 1834 das Gymnasium und die Hochschule in Bern gegründet worden waren. Das 1838 eröffnete Progymnasium galt anfänglich als «Eliteschule» der Burger. Bis es 1859 an die Einwohnergemeinde überging, wurde kein Schulgeld erhoben und die Lehrmittel den meisten Schülern unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Nichtburgerliche Knaben wurden gegen Entrichtung eines Schulgelds aufgenommen. Der Unterricht umfasste 1861 / 62 Religion, Deutsch, Latein, Griechisch, Französisch, Englisch, Mathematik, Naturkunde, Physik, Geografie, Geschichte, Freihandzeichnen, geometrisches Zeichnen, Schönschreiben, Singen, Turnen, Schwimmen und militärische Übungen. Die Schüler der Literarabteilung, die sich auf das Gymnasium vorbereiteten, verzichteten zugunsten von Latein und Griechisch auf Englisch und ein paar Lektionen in anderen Fächern. Turnen und Schwimmen wurden im Progymnasium früher als in der Primarschule eingeführt. Das Turnen an der Lateinschule ist mit einer Turnordnung von 1830 belegt, und schon in den 1840er-Jahren bot ein Lehrer den Progymnasiasten am Abend Schwimmstunden an.37
Die Mädchensekundarschule wurde im März 1859 als städtische Schule gegründet. Als Nachfolgerin der oberen Klassen der burgerlichen Mädchenschule umfasste sie drei Klassen mit einem je zweijährigen Kurs. Wegen des begrenzten Fächerkanons und der schlechten Ausbildung der Lehrer genügte sie dem 1861 erlassenen Unterrichtsplan für bernische Sekundarschulen nicht. Das änderte sich 1865 mit der Wahl von Johann Jakob Lämmlin zum Lehrer und Vorsteher. Er blieb 40 Jahre lang auf seinem Posten und machte aus der Mädchensekundarschule eine angesehene Institution. 1869 wurde die Schule unter staatliche Aufsicht gestellt. Turnen und Englisch kamen neu in den Stundenplan, und das zu einer Zeit, als im Kanton Bern erst an sechs Sekundarschulen Englisch und an noch weniger Turnen für Mädchen unterrichtet wurden. Der Einführung des Turnens an der Mädchensekundarschule verdankt Thun auch seine erste Turnhalle. Als Ersatz für den ungeheizten Falkensaal, wo im Winter geturnt wurde, forderte die Mädchensekundarschulkommission 1869 auf Anraten des Turnlehrers Rudolf Scheuner (1838–1914) vom Einwohnergemeinderat den Bau eines geeigneten Lokals. 1872 konnte die Turnhalle auf dem Aarefeld in Betrieb genommen werden. Der Schwimmunterricht war anfänglich freiwillig; 1920 nahm ein Drittel der Mädchen daran teil.42
Als Katzen verkleidete Schülerinnen am Einweihungsfest der neu erbauten Mädchensekundarschule, 1954. Die Mädchensekundarschule hatte lange Zeit kein eigenes Schulhaus und musste daher mehrmals umziehen.
Ab 1859 war sie im Platzschulhaus untergebracht, 1909 zog sie ins Aarefeldschulhaus und 1936 ins Progymnasium um. 1954 konnte dann der Neubau auf dem Areal der früheren Pension Itten bezogen werden. Fotografie von Hans Dubach.
Die Mädchensekundarschule wurde im März 1859 als städtische Schule gegründet. Als Nachfolgerin der oberen Klassen der burgerlichen Mädchenschule umfasste sie drei Klassen mit einem je zweijährigen Kurs. Wegen des begrenzten Fächerkanons und der schlechten Ausbildung der Lehrer genügte sie dem 1861 erlassenen Unterrichtsplan für bernische Sekundarschulen nicht. Das änderte sich 1865 mit der Wahl von Johann Jakob Lämmlin zum Lehrer und Vorsteher. Er blieb 40 Jahre lang auf seinem Posten und machte aus der Mädchensekundarschule eine angesehene Institution. 1869 wurde die Schule unter staatliche Aufsicht gestellt. Turnen und Englisch kamen neu in den Stundenplan, und das zu einer Zeit, als im Kanton Bern erst an sechs Sekundarschulen Englisch und an noch weniger Turnen für Mädchen unterrichtet wurden. Der Einführung des Turnens an der Mädchensekundarschule verdankt Thun auch seine erste Turnhalle. Als Ersatz für den ungeheizten Falkensaal, wo im Winter geturnt wurde, forderte die Mädchensekundarschulkommission 1869 auf Anraten des Turnlehrers Rudolf Scheuner (1838–1914) vom Einwohnergemeinderat den Bau eines geeigneten Lokals. 1872 konnte die Turnhalle auf dem Aarefeld in Betrieb genommen werden. Der Schwimmunterricht war anfänglich freiwillig; 1920 nahm ein Drittel der Mädchen daran teil.42
Mädchen, die eine gymnasiale Ausbildung anstrebten, traten seit 1916/17 in die Vorbereitungsklasse des Progymnasiums über und wurden dort zusammen mit den Knaben unterrichtet. Nach der Eröffnung des Gymnasiums in Thun 1953 absolvierten die Mädchen ein sogenanntes Abklärungsjahr, bevor sie von der Mädchensekundarschule in die zweitoberste Klasse des Progymnasiums wechselten.43
Der geschlechtergetrennte Unterricht war Ende der 1960er-Jahre überholt. Bern, Biel und Burgdorf hatten ihre Schulen bereits zusammengelegt oder den Übergang zur Koedukation eingeleitet. Die Berufsmöglichkeiten für junge Frauen hatten sich erweitert, die Zahl der Mädchen am Gymnasium stieg. 1971 setzte die Thuner Zentralschulkommission daher eine Studiengruppe zur Frage des geschlechtergemischten Unterrichts an den Sekundarschulen ein, die Argumente für und wider die Koedukation zusammentrug. In der Vernehmlassung befürworteten die befragten Kommissionen und Ämter den Zusammenschluss der bisher getrennten Schulen. Der Stadtrat sprach sich zudem dafür aus, dass fortan alle drei Thuner Sekundarschulen ihre Schülerinnen und Schüler auf eine höhere Schule vorbereiten durften, was bisher ein Privileg des Progymnasiums gewesen war. 1980 führte Thun als letzte Gemeinde im Kanton Bern die Koedukation ein. Das Progymnasium hiess neu Sekundarschule Progymatte, die Mädchensekundarschule Sekundarschule Länggasse.44
Die Sekundarschule Strättligen dagegen stand wie zahlreiche andere Landsekundarschulen seit ihrer Einweihung 1905 sowohl Knaben als auch Mädchen offen. Im Eingemeindungsvertrag von 1919 war zwar vorgesehen, sie mit den Sekundarschulen der Stadt Thun zu verschmelzen, doch der ehemaligen Gemeinde gelang es im Nachhinein, den Thuner Gemeinderat von diesem Vorhaben abzubringen, und Strättligen behielt seine geschlechtergemischte Sekundarschule.45
Eine weitere Reorganisation erfuhren die Thuner Sekundarschulen 1995, als die obligatorische Schule im Kanton in sechs Jahre Primar- und drei Jahre Sekundarschule (System 6/3) statt wie bisher in vier Jahre Primar- und fünf Jahre Sekundarschule (System 4/5) unterteilt wurde. In Thun, wo das neue Schulmodell im Gegensatz zum Kanton in der Abstimmung 1990 verworfen worden war, legte man die Oberstufenklassen in den vier Oberstufenzentren Talacker, Progymatte, Länggasse und Buchholz zusammen.46