Weiterführende Schulen
Thun nahm wie andere industrialisierte Landstädte in Sachen Berufsbildung eine Vorreiterrolle ein, weil das lokale Gewerbe und die Bundesbetriebe nach gut ausgebildeten Handwerkern und Kaufleuten verlangten. Die 1859 von der Progymnasiumskommission gegründete Handwerkerschule begann mit 32 Schülern. Ab 1918 wurden auch die angehenden Damenschneiderinnen, Modistinnen und Weissnäherinnen der Schlossbergschule, die bis 1981 der Gemeinnützige Frauenverein Thun führte, zugelassen. Bis zur Eröffnung der kaufmännischen Berufsschule (heute Wirtschaftsschule Thun) 1894 bildete die Handwerkerschule auch Kaufleute aus. Dem ersten Gewerbeschulhaus von 1949 folgte 1972 ein Neubau im Seefeld. Die in Gewerblich Industrielle Berufsfachschule umbenannte Schule fusionierte 2014 unter anderem mit der unterdessen nach Spiez umgezogenen Schlossbergschule zum Berufsbildungszentrum IDM (Industrie, Dienstleistung, Modegestaltung) mit Standorten in Thun, Spiez, Interlaken und Zweisimmen.51
1866 gründete die Gemeinnützige Gesellschaft eine Fortbildungsschule für männliche Jugendliche. Sie war vorerst freiwillig, das schlechte Abschneiden der Berner in den eidgenössischen Rekrutenprüfungen veranlasste den Thuner Handwerkerverein jedoch, 1882 in einer Petition an den Regierungsrat das Obligatorium zu fordern. Ab 1915 war der Besuch der Fortbildungsschule in Thun zwingend für alle jungen Männer, die keine andere weiterführende Schule wie eine höhere Lehranstalt, eine gewerbliche oder eine kaufmännische Fortbildungsschule absolvierten. Unterrichtet wurde in einem dreijährigen Winterkurs Lesen, Aufsatz, Rechnen und Vaterlandskunde (Geschichte, Geografie und Verfassungskunde). Mit dem Ausbau der Berufsschulen verlor die Fortbildungsschule an Bedeutung. 1984 und 1985 meldeten sich nicht mehr genügend junge Männer an, weshalb die Kurse eingestellt wurden. Für angehende Landwirte bestanden innerhalb der Fortbildungsschule eigene Klassen. Jene in Goldiwil wurde 1970 wegen zu geringer Schülerzahlen aufgehoben.
Angehende Krankenschwestern üben im 1957 fertiggestellten Schulhaus an der Lauenen unter den strengen Blicken der Schulschwester an einer Statistin, 1958. Die Schwesternschule am Bezirksspital Thun wurde 1947 eröffnet.
1953 erlangte sie die Anerkennung durch das Schweizerische Rote Kreuz. Später in Berufsschule für Pflege Berner Oberland umbenannt, gehört sie seit 2007 zum Berner Bildungszentrum Pflege. Fotografie von Hans Dubach.
Für die schulentlassenen Mädchen gab es seit 1896 eine Fortbildungs- schule, welche die jungen Frauen auf die ihnen zugeschriebene zukünftige Rolle als Hausfrau vorbereitete. In Strättligen ging die Gründung auf eine Initiative des Frauenvereins zurück. Unterrichtet wurden Kochen, Nahrungsmittellehre, Hauswirtschaft und Nähen. Die hauswirtschaftliche Fortbildungsschule war 1928–1982 obligatorisch, danach bestand sie als freiwilliger Kurs weiter. Das Obligatorium von 80 Stunden Kochen, 40 Stunden Haushaltspflege und 60 Stunden Handarbeiten konnte in den 1960er-Jahren in Fünfwochen-, Dreijahres-, Halbjahres- oder Sonderkursen absolviert werden.52
1918 wurde das staatliche Lehrerinnenseminar von Hindelbank nach Thun verlegt. Der Vorsteher der Berner Erziehungsdirektion, Regierungsrat Emil Lohner (1865–1959), mochte nicht ganz unbeteiligt daran gewesen sein, dass die Wahl des neuen Standorts auf seine Heimatstadt fiel. Das Seminar wurde provisorisch in der Pension Jungfrau untergebracht. 1922 begann man mit dem Bau eines neuen Schulgebäudes im Seefeld; 1924 wurde dem Seminar eine Übungsschule angegliedert. Nachdem 1995 die Ausbildung der Kindergärtnerinnen, Handarbeits-, Primar- und Sekundarlehrer akademisiert und 2005 an der Pädagogischen Hochschule Bern zentralisiert worden war, wurde aus dem ehemaligen Seminar ein Gymnasium und eine Fachmittelschule.53
Bereits seit der Schaffung des Progymnasiums war geplant, dieses eines Tages zu einem Gymnasium auszubauen. Bis es so weit war, gingen die Thunerinnen und Thuner nach Bern ins Gymnasium. Mehrere Versuche zur Gründung eines Gymnasiums misslangen. Als 1936 die Mädchensekundarschule in das 1930 neu gebaute Progymnasium umzog und dort die Räume beanspruchte, die für das zukünftige Gymnasium vorgesehen waren, schien das Projekt endgültig gescheitert zu sein. Trotzdem nahm die Progymnasiumskommission das Anliegen 1944 wieder auf. Nach den Vorarbeiten einer 1950 eingesetzten Studienkommission stimmten die Thuner 1952 der Einrichtung eines Gymnasiums deutlich zu. 1953 konnte es als städtische Schule, die jedoch allen Schülerinnen und Schülern aus den oberländischen Sekundarschulen offenstand, eröffnet werden. Damit zog Thun mit Pruntrut, Biel und Burgdorf gleich. Das Gymnasium bot von Anfang an die Maturität der Typen A, B und C an, ab 1991 auch den Typus D. Die kantonale Matura, die nur zum Studium an der Universität Bern berechtigte, wurde 1959 durch eine eidgenössisch anerkannte abgelöst. 1979 zog das Gymnasium in einen Neubau an der Seestrasse um. 1980 wurde ihm die dreijährige Handelsmittelschule angegliedert, die seit 2011 Wirtschaftsmittelschule heisst. 2014–2016 fusionierten die beiden Gymnasien Seefeld und Schadau, weil der Kanton, an den 1997 die Verantwortung über die Mittelschulen übergegangen war, sich davon Einsparungen erhoffte.54