Thun am Vorabend der Revolution
Trotz ihrer weitgehenden Selbstverwaltung war die Stadt Thun am Ende des 18. Jahrhunderts immer noch bernisches Untertanengebiet. Obwohl sie als regierungstreu galt, viele Thuner als bernische Offiziere ihren Dienst leisteten und der Thuner Rat seine Treue zu Bern noch am Vorabend der Revolution bekundet hatte, gab es gegen Ende des 18. Jahrhunderts auch in Thun Stimmen, die eine Revolution begrüssten. Die bernische Regierung ihrerseits geriet besonders nach der Revolution in der Waadt durch die Forderung, die Landschaft an den politischen Entscheidungen teilhaben zu lassen, zunehmend unter Druck. Im Januar 1798 gab sie ein Stück weit nach, indem sie 52 Abgeordnete der deutsch-bernischen Städte und Landschaften in den Grossen Rat aufnahm. Der Thuner Rat ordnete dazu Venner Johannes Deci (1743–1814) nach Bern ab, der nach seiner Demission im Februar durch den Apotheker Gottlieb Scheidegg (1756–1837) ersetzt wurde.14
Wie sehr die politische Entwicklung den Thuner Schultheissen Carl Ferdinand von Sinner verunsicherte, zeigt sich an einer Episode, die sich kurz vor dem Einmarsch der Franzosen abspielte: Anfang Februar 1798 erfuhr der Schultheiss gerüchteweise, dass die Thuner das Schloss stürmen und anzünden wollten. Im Glauben, das Schloss schützen zu müssen, bot Sinner für die Nacht vom 2. auf den 3. Februar Steffisburger zum Schutz des Schlosses auf. Der Thuner Rat zeigte sich in der Folge empört über das Misstrauen, verlangte eine Entschuldigung und den Namen desjenigen, von dem von Sinner die «famose verdächtigende Anzeige» erhalten habe. Schultheiss von Sinner schwieg sich jedoch aus. Der Rat befasste sich Anfang Februar mehrmals mit der Angelegenheit und bot eine eigene Wache an, doch da der Schultheiss sich weigerte, dieser «eine warme Stube einzuräumen», wurde darauf verzichtet.15
