Stark im Fussball und Handball
Der Fussballsport in der heutigen Form kam um 1860 in England auf. In die Schweiz gelangte er über Internatsschulen am Genfer- und am Bodensee, die auch von englischen Schülern besucht wurden. Bis um 1900 entstand in den meisten Schweizer Städten mindestens ein Fussballclub. In Thun gründete ein Dutzend junger Männer 1898 den FC Thun. Die Anfangszeit war schwierig: Nach zwei Jahren löste sich der Club auf, formierte sich 1902 neu – und löste sich Ende 1903 wieder auf. Erst 1905 gelang die endgültige Gründung. Die Klubmitglieder der Anfangsjahre stammten vorwiegend aus dem Bürgertum, sie waren Bautechniker, Post- oder Bankbeamte, Wirte, Coiffeure, Lehrer, Studenten, Mittelschüler oder Lehrlinge, auch ein Notar, ein Zahnarzt, ein Kinobesitzer und ein Fotograf waren dabei.7
In spielerischer Hinsicht taten sich die Thuner zu Beginn schwer: In den ersten anderthalb Jahren nach 1905 verloren sie alle Spiele, so auch den ersten Match gegen den BSC Young Boys Bern, welcher sich später als stärkster Konkurrent im Kanton entpuppte. 1911 schloss sich der FC Thun der 1895 gegründeten Schweizerischen Football-Association an, welche die Schweizermeisterschaft organisierte. Die Thuner spielten meist in der 1. bis 3. Liga, 1946 gelang ihnen erstmals der Aufstieg in die Nationalliga B. 1954 schafften sie es sogar in die Nationalliga A, wo sie sich jedoch nur eine Saison lang halten konnten. 1955 stand der FC Thun zudem im Cupfinal, den er 1:3 gegen La Chaux-de-Fonds verlor.
Der FC Thun spielt auf dem Sportplatz Grabengut gegen den FC Lugano, 19. August 1946. Der Match gegen die Tessiner ging mit 1:1 unentschieden aus. Die Spiele des FC Thun fanden anfänglich auf der grossen Allmend statt, wo die Kasernenverwaltung einen Platz gratis zur Verfügung stellte. Ab 1927 spielte der FC Thun auf dem hier abgebildeten Sportplatz, ab 1952 im Lachenstadion und seit 2011 in der Stockhorn Arena.
Dass schon damals die Emotionen bei Fussballspielen hochgehen konnten, zeigt ein Zeitungsbericht von 1946. Der FC Thun gewann in Freiburg ein Meisterschaftsspiel, worauf Freiburger Fans nach dem Schlusspfiff auf den Platz stürmten: «einige Thunerspieler wurden geschlagen, nicht besser erging es den Schlachtenbummlern, ja sogar der Schiedsrichter (...) wurde mit Fusstritten zum Platz hinaus befördert.»8 Auch die Thuner Fans waren aus hartem Holz geschnitzt: Als der FC Thun 1951 in Lausanne ein wichtiges Spiel verlor, machten sie den Schiedsrichter für die Niederlage verantwortlich: «So endete die sonst faire Partie in Disharmonie. Der Unparteiische wird von der Polizei betreut», berichtete das «Oberländer Tagblatt».9
Wie in anderen Schweizer Städten beschränkt sich die Thuner Fussballszene nicht auf einen einzigen Verein. 1923 entstand der FC Lerchenfeld, 1927 der FC Dürrrenast und 1943 der FC Allmendingen, die in der 1. bis 4. Liga spielten. Manchmal begegneten sich die Thuner Fussballvereine in der gleichen Liga, so befanden sich beispielsweise 1992/93 der FC Thun, der FC Dürrenast und der FC Lerchenfeld gemeinsam in der 1. Liga. Ein weiterer Fussballclub, der 1947 gegründete Sportclub PTT (ab 1968 FC Rot-Schwarz), ist für die Thuner Fussballgeschichte von Bedeutung, weil er 1978 eine Frauenmannschaft gründete – zehn Jahre nach der Entstehung des ersten Schweizer Damenfussballclubs in Zürich und acht Jahre nach der Gründung der Schweizerischen Damenfussball-Liga. Die Thunerinnen spielten ab 1986 wiederholt in der Nationalliga A und gewannen 2009 den Schweizer Frauen-Cupfinal.
Die bisher erfolgreichsten Jahre erlebte der Thuner Männerfussball ab 2002, als dem FC Thun erneut der Aufstieg in die Nationalliga A, die heutige Super League, gelang. 2004/05 erreichten die Thuner den zweiten Rang in der Schweizer Fussballmeisterschaft. Damit qualifizierten sie sich für die UEFA Champions League. Dass der FC Thun auf europäischem Niveau spielte, löste in der Stadt eine eigentliche Fussballeuphorie aus. Die Ernüchterung folgte bald: 2008–2010 befand sich der FC Thun wieder in der Challenge League (vormals Nationalliga B). Doch danach gelang ihm der Wiederaufstieg in die Super League. Seit 2011 spielt der FC Thun in der Arena Thun (ab 2014 Stockhorn Arena) beim Autobahnanschluss Thun Süd. An dieses Stadion ist ein Einkaufs- und Dienstleistungszentrum angeschlossen. Die Spiele werden von mehreren 1000 Personen besucht; am besten ausgelastet ist das Stadion jeweils bei den Derbys des FC Thun gegen die Berner Young Boys.10
Sehr erfolgreich ist Thun auch im Handball, einem Mannschaftsspiel, das sich nach 1900 in Deutschland aus andern Ballspielen entwickelte und zuerst auf Fussballfeldern gespielt wurde. 1937 gründete der Turnverein Thun eine Mannschaft, die Feldhandball spielte, und organisierte 1951 in der Pestalozziturnhalle ein erstes Hallenhandballturnier, an dem auch andere Sportvereine wie der Ruderclub Thun, der FC Thun und der FC Lerchenfeld teilnahmen. Bereits in der Zwischenkriegszeit hatte sich der Hallenhandball aus klimatischen Gründen in Skandinavien durchgesetzt. Er verdrängte ab 1960 in Mitteleuropa den Feldhandball, weil es nun auch hier mehr Turnhallen gab. 1961 entstand der Handballklub Wacker Thun, der 1988 in die Nationalliga A aufstieg. Wacker gewann 2002–2017 fünfmal den Schweizer Handballcup, wurde 2013 und 2018 Schweizermeister und ist heute der zweitgrösste Sportverein im Berner Oberland. Spielort ist die Sporthalle Lachen. Der Damenhandballklub Rotweiss Thun wurde 1970 gegründet. Schon 1972 standen die Thunerinnen im Final der Schweizermeisterschaft, verloren jedoch klar gegen Brühl St. Gallen. Seit 1993 spielen sie ununterbrochen in der obersten nationalen Spielklasse.11