Wasser und Energie
Nirgendwo zeigt sich die Verflechtung von Stadt und Bund so deutlich wie bei der Versorgung der Bundesbetriebe mit Wasser und Energie. Als Erstes stellte sich die Frage nach der Wasserversorgung. Ursprünglich standen dafür nur Sodbrunnen, beispielsweise beim Polygon und bei den Militärstallungen, zur Verfügung.58 Der Bau der Kaserne machte eine umfangreichere Versorgung mit Wasser unumgänglich. Nicht nur Trinkwasser wurde benötigt, sondern auch Wasser für die WCs in der Kaserne und für die Reinigung der Stallungen und Werkstätten, für das Besprengen von Rasen, Reitbahnen und (noch nicht asphaltierten) Strassen sowie für die Versorgung der Dampfkessel und der Werkstätten der Munitionsfabrik. Dazu kam die Speisung von 22 Hydranten, um die Reaktionszeit im Brandfall zu verkürzen.59
Munitionsfabrik in Thun. Fotografie, 1940er-Jahre. Die Versorgung der Munitionsfabrik mit Energie und Wasser war zentral. Schon im 19. Jahrhundert reichte das von der Stadt gelieferte Wasser nicht mehr, sodass der Bund eigene Pumpwerke in Betrieb nahm.
Während des Zweiten Weltkriegs nahm der Energiebedarf noch einmal zu und die Munitionsfabrik bezog erneut zusätzlich Wasser von der Stadt.
Abhilfe bot die Nutzbarmachung der Hombergquellen. Das Projekt brachte auch der Stadt Vorteile: Sie benötigte 300 Liter Wasser pro Sekunde. Der Liefervertrag mit der Stadt trat aber erst in Kraft, wenn die Besitzer der Quellen die doppelte Menge verkaufen konnten. Dieses zusätzliche Quantum bezog nun der Bund. Erst jetzt lohnten sich die Investitionen in den Bau der Leitungen und Anlagen, obschon der Bund sich nicht daran beteiligte. Er machte Thun jedoch Auflagen zum Bau und zur Nutzung der Anlagen: So durfte die Gemeinde nur mit dem Einverständnis der Eidgenossenschaft Wasser aus anderen Quellen ins Reservoir leiten, aus dem die Militäranlagen versorgt wurden; zudem musste sie alle Baupläne für Zuleitungen zu diesem dem Bund zur Genehmigung vorlegen.60 Der Beginn der Bauarbeiten erfolgte 1869. Es dauerte jedoch nicht lange, bis die Militärbetriebe, die für ihre Arbeiten auf Brauchwasser angewiesen waren, ihren Wasserbedarf nicht mehr decken konnten; der Kauf von Trinkwasser kam zu teuer. 1895 errichteten sie deshalb Pumpwerke, die von der Stadt unabhängig waren. Während des Zweiten Weltkriegs realisierten die Militärbetriebe, dass sie im Fall eines Grossbrandes zu wenig Löschwasser zur Verfügung hätten. Die günstigste Lösung bestand darin, sich an der von der Gemeinde schon geplanten Erweiterung des Wasserversorgungsnetzes zu beteiligen, was dazu führte, dass Stadt und Bund weiterhin zusammenarbeiteten.61
Mit der Wasserversorgung verbunden war auch die Frage nach den Abwässern. Bis um 1960 wurden diese in die Aare geleitet. Auf eine eigene Kläranlage verzichtete der Bund – aber als die Regionsgemeinden die Abwasserreinigungsanlage (ARA) in Uetendorf planten, entsandte er bereits bei der Gründung des Gemeindeverbandes ARA Region Thun Delegierte in der Absicht, auch die Gebäude der Armee an die gemeinsame Kanalisation anzuschliessen.62
Etwas komplizierter gestaltete sich die Energieversorgung. In sämtlichen eidgenössischen Gebäuden wurde anfänglich eine Gasbeleuchtung eingerichtet. Thun lieferte das Gas. Dieses erwies sich jedoch mit der Zeit als teuer, was eine Umstellung auf die elektrische Beleuchtung nahelegte. Die Stromproduktion in den eidgenössischen Betrieben hing ursprünglich von mit Kohle betriebenen Dampfmaschinen ab. Um von der Kohle unabhängiger zu werden, sollten sie durch Wasserkraftanlagen ersetzt werden. Der Bund durfte gegen ein Entgelt Wasser aus dem 1883 erstellten Gewerbekanal beziehen, um damit zwei Turbinen anzutreiben. 1901 rüstete er diese für die Stromproduktion um. Nun konnte man die Gasbeleuchtung aufgeben. Da die Kapazität der Anlage schon bald nicht mehr ausreichte, kam 1903 eine dritte Turbine dazu.63 Weil nun die Nutzungskapazität des Gewerbekanals erreicht war, musste der Bund im Lauf der Zeit immer mehr Strom vom städtischen Elektrizitätswerk dazukaufen. Dieses war ab den 1930er-Jahren überlastet, sodass der Bund seit 1934 zusätzlich von den Bernischen Kraftwerken (BKW) Strom bezog. Aber die Stadt lieferte den Militärbetrieben auch weiterhin und bis Ende des 20.Jahrhunderts Gas zum Heizen.64
Die Infrastrukturbereiche von Stadt und Bund wuchsen immer stärker zusammen. Die dadurch entstandene gegenseitige Abhängigkeit förderte den rücksichtsvollen Umgang miteinander.