Die Armee muss reagieren
Im dritten Viertel des 19. Jahrhunderts bestimmte die internationale Entwicklung die nächsten Ausbauschritte. Die Bedrohung durch einen möglichen militärischen Konflikt im Neuenburgerhandel von 1856/57 brachte zwar noch keine konkreten Reformen, liess aber die Bereitschaft dazu wachsen. Erst die Krise im Savoyerhandel von 1860 führte zu konkreten Massnahmen; so wurde die Infanterie neu bewaffnet und der Bund verlängerte ein weiteres Mal die militärische Ausbildung.13 Die Artillerie erhielt neue Geschütze, welche der Bund unterhalten musste. Die zu diesem Zweck 1862 gegründete Eidgenössische Reparaturwerkstätte war 1863 fertiggestellt. Im gleichen Jahr nahm auch das Feuerwerk-Laboratorium seine Produktion auf. Mit der Aufrüstung wuchs das Bedürfnis nach einem neuen Zeughaus; 1861 begann der Bau des ersten Gebäudes, dem bis 1906 fünf weitere folgten.14 Die Einführung der neuen Geschütze hatte noch eine andere Konsequenz: Diese hatten nämlich eine viel grössere Reichweite, sodass ihre Geschosse weit über den damaligen Waffenplatz hinausflogen.
Die Eidgenossenschaft war gezwungen, weiteres Land zu kaufen. Mit dem Bundesbeschluss vom 1. Juli 1863 erwarb sie das Mühlemattgut von seinem Besitzer Chabot-Karlen, einen Teil der Thierachern-Allmend von der Burgergemeinde Thierachern, von derselben und vom Staat Bern Wald im Kandergrien sowie zusätzliche sieben Jucharten Allmendland von der Burgergemeinde Thun.15 Der nächste grosse Entwicklungsschub war eine Folge des Deutsch-Französischen Kriegs von 1870/71. Dieser führte der Schweizer Armee gleich mehrere Problemfelder vor Augen. Die Grenzbesetzung sowie die Internierung der Bourbaki-Armee stellten die Eidgenossenschaft vor eine Bewährungsprobe, der sie nicht ausreichend gewachsen war. Immer noch war die Ausbildung völlig ungenügend. Auch die Logistik klappte schlecht, die Ausrüstung war mangelhaft und veraltet und die Koordination zwischen Politik und Armee bereitete Schwierigkeiten.16 Diese Feststellungen gaben den Ausschlag für die grosse Reorganisation der Armee anlässlich der Verfassungsrevision von 1874.
