Vereine machen Politik
Die massgeblichen politischen Kräfte auf kantonaler Ebene bildeten sich auch in Thun mit konservativen, liberalen und radikalen Strömungen ab. In den 1830er-Jahren begannen sie sich um einzelne Honoratioren zu versammeln und in schwach strukturierten Gruppen zu organisieren. Politisch bestimmend waren damals die liberalen Kräfte. Ihre Anhänger vereinten sich im Schutzverein, die politischen Gegner, die Konservativen, im Sicherheitsverein. Die Vereine dienten vor allem der Mobilisierung der Bevölkerung mit Blick auf bevorstehende Abstimmungen und Wahlen. Mitunter setzten die Protagonisten wie im Oktober 1850 zu diesem Zweck Werbemittel wie den Stimmenkauf und «Bäche von Schnaps und Wein» ein. Auf solche Praktiken weisen mehrere weitere Artikel im «Thuner Blatt» hin.22
Die Angst der liberalen Regierung vor einem patrizischen Putsch war gross. Selbst die Regierungsstatthalter als Vertreter des Kantons hatten in den Ämtern Ausschau nach verdächtigen Aktivitäten zu halten. Eine von ihnen beobachtete Gruppe war der Sicherheitsverein, dem auch Konservative von Thun angehörten. Darunter befanden sich bekannte politische Persönlichkeiten wie mutmasslich auch Samuel Teuscher. Diese Kreise schienen mit der Planung einer bewaffneten Aktion gegen die liberale Berner Regierung beschäftigt gewesen zu sein. 1837 verfügte der Grosse Rat die Auflösung des Sicherheitsvereins. In seinem Bericht über das Jahr 1837 stellte Regierungsstatthalter Gottlieb Messmer (1799–1862) für das Amt Thun fest, dass es auch danach immer noch «eifrige Anhänger und thätige Werkzeuge des alten Regiments» gebe. Er erachtete sie zwar als nicht gefährlich, dennoch müssten sie beobachtet werden.23 Noch im selben Jahr gründeten ehemalige Mitglieder des Sicherheitsvereins in Thun den Vaterländischen Verein, der ebenfalls für eine Rückkehr des Patriziats warb.
Auf der anderen Seite standen radikale Kräfte im Oberland, die 1837 eine Separation ihres Gebiets und eine Verfassungsrevision radikaldemokratischer Prägung anstrebten. Die Radikalen sammelten sich ab 1844 in Volksvereinen. Ein solcher Verein existierte auch im Amtsbezirk Thun. Die 1846 in Thun gegründete Sektion des Grütlivereins, dem zunächst Handwerksgesellen und dann immer häufiger auch Arbeiter angehörten, lehnte sich politisch ebenfalls an die Radikalen an. 1852, als die Konservativen den Kanton regierten, entdeckten die Behörden sozialistische und kommunistische Schriften, die sich im Besitz der Thuner Sektion befanden. Die Regierung verbot daraufhin den Grütliverein im ganzen Kanton wegen revolutionärer Umtriebe. Bei den eidgenössischen Behörden gingen damals aus der ganzen Schweiz Beschwerden gegen diese politisch motivierte Aktion ein. Nach langem Hin und Her ermöglichte eine neu gewählte kantonale Regierung, eine Koalition aus Konservativen und Radikalen, nach 1854 dem Verein die Wiederaufnahme seiner Tätigkeit. Auch in Thun bildete sich danach wieder eine Sektion.24
