Kanalisation und Abwasserreinigung
Die zentrale Wasserversorgung brachte mehr Wasser in die Städte, das nach Gebrauch entsorgt werden musste. Thun begann deshalb parallel zum Bau der Wasserversorgung mit der Erstellung einer Kanalisation. Ab 1870 durften die Haushalte und die Gewerbebetriebe das Dach- und Schüttsteinwasser, etwas später auch das Abtrittabwasser in die Kanalisation leiten. Abwasserröhren gab es damals in der Hauptgasse, beim Freienhof und beim Viehmarkt; 1901 war der Hauptstrang vom Lauitor bis zum Berntor vollendet. In den nächsten Jahrzehnten erhielten nach und nach auch die Aussenquartiere eine Kanalisation, das Bälliz wurde jedoch erst 1962 angeschlossen. Die dichtere Bebauung und die Asphaltierung der Strassen hatten zur Folge, dass immer mehr Wasser in die Kanalisation gelangte, statt wie bis anhin zu versickern.
Die Röhren der Thuner Schwemmkanalisation führten in den See und in die Aare. Man vertraute auf die Selbstreinigungskraft der Gewässer, was aber in der Realität nur beschränkt funktionierte. Einerseits wuchs die Bevölkerung stark an, was mehr Abwasser bedeutete, andererseits gelangten durch die modernen Waschmittel und die Industrialisierung der Landwirtschaft mehr problematische Stoffe wie Phosphat in die Gewässer. Schon 1946 schrieb das «Oberländer Tagblatt»: «In letzter Zeit aber war es schlimm; schlimm mit dem schmutzigen Wasser in See und in der Aare. (...) Nun war es aber so, dass einem richtig zu grausen anfing, wenn man ins Wasser schaute.»58
Es dauerte aber noch Jahrzehnte, bis Aare und See wieder sauber waren. 1968 bewilligten die Thuner Stimmbürger einen Kredit für den Bau einer Abwasserreinigungsanlage (ARA) auf dem Gemeindegebiet von Uetendorf, die 1972 ihren Betrieb aufnahm. Nun wurden 86 Prozent der Abwässer der Region Thun gereinigt und das «Thuner Tagblatt» vermeldete stolz, die Wasserqualität der Aare im Schwäbis entspreche derjenigen des Trinkwassers in München. Heute sind der ARA Thunersee 36 Gemeinden angeschlossen. Im Sommer 2016 erhielt sie die Baubewilligung für den Einbau einer weiteren Reinigungsstufe, um als erste ARA im Kanton Bern auch Mikroverunreinigungen aus dem Wasser herausfiltern zu können.59
